Früher brauchte man detektivisches Gespür, Durchhaltevermögen und manchmal sogar die Caritas, wenn man jemanden wieder finden wollte, den man vor langer Zeit aus den Augen verloren hatte. Heute werden Personen-Suchanfragen in Sekundenschnelle von einem Zentralorgan beantwortet, das so viele User samt ihrer privaten Daten zu seinen Untertanen zählt, das es sich mit Fug und Recht zum viertgrößten Staat der Welt ausrufen lassen könnte.

 

rioRio//Foto: Michael Hoelzl©2009VG-Bildkunst-Bonn//

 

Facebook führt Menschen zusammen. Die, die sich aufrichtig über ein Wiedersehen freuen (und insgeheim zur virtuellen Dankesrede ausholen) und solche, die man nie, nie, niemals wieder sehen wollte. Einfach nicht auf „Freundschaft bestätigen“ klicken? Schon, aber selbst die Nicht-Reaktion ist als solche für den Freundesanfrager zu sehen und damit persönlich verletzend. Das will man ja dann auch niemandem zumuten… Lästig ist es allemal.

„Die ganzen Nasen aus der Oberstufe, bei denen man froh gewesen ist, sie nach dem Abitur nicht mehr sehen zu müssen, kamen vor ein paar Jahren als XING-Kontakte angeschleimt. Als ob ich Interesse am Networking mit Sparkassenangestellten hätte. Dieselben Typen kommen nun bei Facebook wieder um die Ecke, die Spalte rechts ist ein echtes Gruselkabinett, so oft man die Leute auch wegklickt. Manchmal verkleinere ich mein Browserfenster, nur um die Hackfressen nicht sehen zu müssen.“ //Hendrik Spree

Als ich mein Facebookprofil einrichtete, wurde ich von einem geradezu vernichtenden Satz begrüßt, der wohl meinen Social-Ehrgeiz anstacheln sollte: “Du hast keine Freunde. Sobald Du Freunde hast, werden sie hier erscheinen.“ Ich fand das ganz schön frech. Und während ich mich eher oldschool daran machte, stückweise  Menschen anzuschreiben, von denen ich aufrichtig und ernsthaft annehme, dass es sich um Freunde im Sinne der klassischen Definition handelt, stellte ich fest, dass einige von ihnen diesbezüglich sehr viel weniger Berührungsängste hatten. So brauchte A. gerade mal 10 Minuten um sage und schreibe 180 Freunde in seinem Profil aufzulisten. Ich kenne Leute, die weit über 3.000 Freunde haben (jedenfalls sagt das ihr Facebook-Profil). Das bedeutet, selbst wenn sie sich jeden Tag mit einem ihrer Freunde verabreden würden und eine Stunde intensiv über sich und die Welt redeten, wüssten sie nach acht Jahren immer noch nicht, wie es jedem einzelnen von ihnen geht. Geht das? Oder vielmehr: Wie definiert sich denn eigentlich Freundschaft?

„Vor kurzem habe ich ein Plakat gesehen, auf dem der Slogan stand: Wir haben so viele Freunde im Netz, wir müssen uns einen neuen Namen ausdenken für die anderen.“//Alexander Gumz

Seltsam auch, über Facebook zu erfahren, wie promisk die eigenen Freunde sind. Da steht zum Beispiel „Single“ oder „in einer komplizierten Beziehung steckend“ oder auch „auf der Suche“ bei Leuten, von denen man weiß, dass ihre Beziehung möglicherweise wirklich kompliziert aber eben noch vorhanden ist. Es ist ein komisches Gefühl, derart vertrauliche Informationen über jemanden zu lesen, mit dem man gerne bestimmte Neuigkeiten, Interessen und auch Vorlieben aber bitte keine Details aus dem Intimleben tauschen möchte. Zum Pinkeln nimmt man seine Freunde schließlich auch nicht mit. Oder sollte etwa jemand Interesse an einem öffentlichen Forum für Gruppenpinkler auf Facebook haben? (Und dann stellt sich noch die Frage nach dem Informationsstand des als nicht-existent oder kompliziert betitelten Partner – weiß er oder sie, was da im virtuellen Raum über den Stand der Beziehung geplaudert wird? Oder wird vielleicht im realen Leben gar nicht mehr gesprochen?)

 

mquin//Foto: Michael Hoelzl©2009VG-Bildkunst-Bonn//

 

Aber Facebook ist auch gut für kleine romantische Geschichten: „Als ich 12 war habe ich mich in eine Bonnie Bianco-Interpretin bei der Miniplayback-Show verliebt. Den Namen schrieb ich damals in ein Tagebuch oder so was, der ist mir dann im Raum der Weltmöglichkeiten eingefallen und ich habe sie kontaktiert. Wir haben zwar keinen Cybersex aber irgendwie einen Weg gefunden, mit diesem Phänomen schön umzugehen und alle paar Tage/Wochen zu telefonieren, selbst wenn uns Lebenswelten trennen. Süß, was….“//Göran Hielscher

Ich selbst habe mich vor kurzem mit einer Freundin getroffen, die mich während meiner Schulzeit lange Jahre als die berühmte „beste“ begleitet hat. Wir waren unzertrennlich, bis uns unterschiedliche Lebensentwürfe, Männer und andere Wohnorte doch auseinander trieben. 17 Jahre haben wir uns nicht gesehen. Und dann kam, über den Umweg einer gemeinsamen Freundin, die wie ich auf Facebook ist, eine E-Mail. Am Wochenende haben wir uns getroffen, haben uns die letzten Jahre in Kurzfassung nacherzählt, unsere Liebsten miteinander bekannt gemacht und beschlossen, dass wir uns wiedersehen. Wann? Das spielt keine Rolle. Wir wissen ja jetzt, wie wir uns finden.

 

Dieser Beitrag wurde auch auf Sounds-Like-Me veröffentlicht