Judith Schalanskys Sprache ist ungewöhnlich. Präzise und poetisch geht sie mit Worten Geschichten und Geheimnissen nach, lugt hie und da ein wenig hinter den Vorhang, ohne ihn je ganz aufzuziehen und das Dahinter bloßzulegen. Denn das scheint ihre Sache nicht zu sein, die Blöße.

Perfektion dagegen sehr. Bedächtig wirken Judith Schalanskys Sätze, ihre Antworten nie beiläufig oder zufällig. Und so ist es nur konsequent, dass sie ihr neuestes Buch, den Atlas der Abgelegenen Inseln, nicht nur selbst recherchiert und geschrieben, sondern darüber hinaus auch gestaltet hat.

Atlas

Geboren 1980 in Greifswald hat sie als Kind die Welt mit dem Atlas kennen gelernt. Das Reiseverbot der DDR hat sicher sie, vielleicht auch ihre Beziehung zur Ferne beeinflusst. „Es ist noch heute so, dass ich Deutschen, die zum Beispiel in Nairobi oder Los Angeles geboren sind, mit unverhohlener Verwunderung begegne,“ sagt sie im Vorwort ihres neuen Buches. Auf den Ort seiner Geburt hat man keinen Einfluss. Wohl aber auf den, an dem man sich aufhält.Fast beineide ich Judith Schalansky, für drei Monate lang in der  Villa Aurora in Los Angeles zu sein. Aber nur fast. Denn ich wünsche mir, dass sie dort ganz viel schreiben und mit einem neuen, wunderschönen Buch zurückkommen wird.

JudithSchalansky

//”Das Badezimmer ist ein Traum.”//

Wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Buch über Inseln zu machen?

Ich wollte ein Buch machen, das zugleich ein Atlas – mit all der Schönheit der Fakten und Landkarten – ist und ein Geschichtenbuch. Das Faszinierende ist nämlich: Alles, was auf einsamen Inseln geschieht, verdichtet sich zu einer Geschichte. Der Raum ist begrenzt und alle Personen haben ein Motiv, einen Grund, warum sie hier sind. Es ist wie auf einer Bühne.

Was bedeuten Dir Inseln? Ist “Insel” eine Metapher für Dich und wenn ja, für was steht sie?

Die einsame Insel ist das Traumbild jedes gestressten Menschen, die Vorstellung von einem Ort, an dem man zur Ruhe, zu sich kommt und sich endlich mal auf das Wesentliche konzentrieren kann. Nicht von ungefähr lautet eine beliebte Frage doch: Wen oder was würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen?

Hätte es auch ein Buch über andere abgelegene Orte sein können? Täler zum Beispiel? Einsame Bergdörfer?

Kein Flecken ist so verloren, wie der von Wasser umgebene, das Meer eine Mauer, der Horizont hoffnungslos leer. Pigafetta beschreibt es so gut, als er mit Magellan den endlosen Pazifik überquert, und sie nirgens Land sichten: “Es war, als hätten sich die Tore der Ewigkeit geöffnet und wir steuerten in diese hinein.”

Wenn Du die Möglichkeit hättest, auf eine oder mehrere der Inseln, die Du in Deinem Buch vorstellst, zu fahren – würdest du sie besuchen wollen? Und wenn ja, für welche würdest Du Dich entscheiden?

Wie der Untertitel schon beschreibt: Es sind 50 Inseln, die ich niemals aufsuchen will – auch wenn ich einige während meiner Recherche schon sehr verlockend fand. Die subantarktische Campbell-Insel zum Beispiel ist kartografisch eine der schönsten: Berge, Flüsse, Fjorde und eine ausgefranste Küste. Wie es dort wohl wirklich aussieht?

Du hast den “Atlas der abgelegenen Inseln” sowohl selbst geschrieben als auch gestaltet – das ist ungewöhnlich und sicher auch sehr viel Arbeit… Warum hast Du Dich dafür entschieden?

Weil dieses Buch meine Insel ist. Es fühlte sich richtig an, ein Buch über einsame Inseln auch allein zu machen. Ich denke Form und Inhalt nie getrennt. Ich wußte: Es muss diese Schrift sein, dieses Papier, diese Farbe. Und konnte für diese Unternehmung auf die wunderbare Unterstützung meines Verlages zählen.

Atlantik

//”Im Hintergund: Der Stille Ozean.”//

Reist Du gerne physisch, oder lieber in Gedanken?

Letzteres. Die eigentliche Herausforderung besteht ja heute darin, zu Hause zu bleiben.

Was ist Deine Definition von Freiheit?

Eine Wahl zu haben. Die hat man auf einer abgelegenen Insel nicht. Man ist gezwungen, dort zu bleiben. Zu warten und  zu überleben.

An was für einem Ort bist Du derzeit und an was arbeitest Du?

Ich habe das große Glück, ein Stipendium in der Villa Aurora in Los Angeles zu genießen und zu nutzen. Hier schreibe ich an meinem nächsten Roman. Zusammen mit dem Film- und Bildermacher Max Penzel und dem Bildenden Künstler Simon Dybbroe Møller wohne und arbeite ich für drei Monate in dem Haus, in dem sich um Lion und Marta Feuchtwanger ab 1943 viele exildeutsche Intellektuelle scharten. Von meinem Schreibtisch blicke ich auf den pazifischen Ozean, dem schon von hier aus anzusehen ist, dass er beinahe endlos groß ist.

Judith Schalansky

Atlas der Abgelegenen Inseln | Fünfzig Inseln auf denen ich nie war, und niemals sein werde

50 Geschichten | 50 Karten im Maßstab 1:125 000

1 Vorwort | 144 Seiten

5 Sonderfarben | Halbleinen mit dreiseitigem Farbschnitt

D 34€ | Au 35€ | Ch 59,90 SFR

ISBN 978-3-86648-117-6

www.mare.de

 

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