Der Berliner Künstler André Marose verschmilzt die Bereiche Kunst und Mode im Spannungsfeld von Gegenwart und Zukunft und zeigt die Tiefe im Oberflächlichen. Ganz nebenbei bedauert er aufrichtig, Suzy Menkes auf der Berliner Fashion Week verpasst zu haben.
Das erste Mal sind mir seine Arbeiten in einer temporären Bar in der Berliner Rungestrasse begegnet. (An einem dieser lauten Orte, die für eine Weile im Irgendwo kampieren, um dann umzuziehen oder ganz zu verschwinden und Bürokomplexen oder Boutiquen Platz zu machen.)Figuren schienen aus dem Fußboden zu wachsen, lugten hinter Türen hervor und warteten in dunklen Ecken. André MarosesRemovable Graffiti haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ich verliebte mich sofort und schwor, den Urheber zu bitten, mir eines anzufertigen, sollte ich jemals länger in einer Wohnung bleiben, als nur für einen Interim.
1973 in Ostberlin geboren macht André Marose zunächst eine Ausbildung zum Schneider, studiert Wirtschaftswissenschaften und landet schließlich als Meisterschüler an der Universität der Künste. Seine Arbeiten finden inzwischen auch international Beachtung und werden unter anderem in Paris, Basel, Bologna, Liverpool, New York, Chicago und natürlich auch Berlin gezeigt.
// André Marose //
Maroses Werk beschäftigt sich mit der Problematik der Inspiration. Auf eine reflektiv-sezierende Weise setzt er sich immer wieder mit sich selbst und seiner Arbeit auseinander. Als Künstler bleibt er jedoch auch im engen Kontakt zur Mode. In seinem Schaffen tastet er sich ebenso wie sie an seine Themen heran, nähert sich der Zukunft schrittweise in der Gegenwart. Mode ist ein Thema, das immer wieder auftaucht und auf verschiedene Arten rezipiert wird. Eine seiner aktuellen Arbeiten, Fesse de Vogue, wird voraussichtlich im September Rahmen einer Gruppenausstellung in der Berliner Galerie Metro (Opening 4.9.2009) zu sehen sein. Please be quiet!
___In Deinen Arbeiten beschäftigst Du Dich immer wieder mit Mode, bzw. schneidest das Thema Mode an. Was bedeutet Mode für Dich? Gibt es ein Grundthema, das Dich nicht loslässt und das immer wieder in Deinen Arbeiten auftaucht?
AM_Ganz abgesehen davon, dass ich nach bestandenem Voreignungstest einer Kunsthochschule zunächst eine Ausbildung zum Schneider absolviert habe, bin ich als Künstler immer im engen Kontakt zum Modedesign geblieben. Für einige Jahre war ich mindestens einmal pro Jahr bei den Schauen in Paris. Mir wurde angeboten, als Einkäufer zu arbeiten oder über aktuelle Mode zu schreiben. Allerdings interessiert mich Mode als Anziehanleitung für die nächsten 6 Monate wenig. Als Modedesigner würde ich dieses Konzept sogar ablehnen. Als Künstler bin ich aber – im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen, die sich zumeist der Vergangenheit versichern – gerade daran interessiert, wie man jedes Jahr aufs Neue versucht, in der Gegenwart die Zukunft zu entdecken. Auch verbindet mich mit dem Modedesign die herantastende Vorgehensweise, da sich meiner Meinung nach Zukunft anders nicht erarbeiten lässt.
An Kunst oder Modedesign interessiert mich gleichermaßen, wie und unter welchen Bedingungen eine Idee/Kreativität entsteht. Dieses anhand der Offenlegung meiner eigenen kreativen Prozesse darzustellen, immer mit dem Anspruch Inspiration für die eigene Kreativität des Betrachters anzubieten, ist das Grundthema in meinen Arbeiten, die oft von der unendlich schwierigen Suche, vom Scheitern oder einfach nur von meinen Inspirationsquellen handeln.
___Könntest Du mir ein bisschen was über Deine Arbeit Fesse de Vogue erzählen? Um was genau geht es? Auf dem Bild auf Deiner Website sieht man die Rückseiten verschiedener Vogue Cover aus verschiedenen Ländern, fast alle aus dem Jahr 2008, nur die italienische ist von 2007….
AM_Die in einer Linie angeordneten Magazinrücken stehen für den schmalen Grat der Mode im Jetzt, zwischen Vergangenheit und Zukunft (zwischen Stil und Debakel, zwischen Zugehörigkeit oder Ablehnung durch eine Szene, etc.). Der VOGUE wird global vertraut, diesen Moment vermitteln zu können. Das „Fesse“ aus dem Titel – im Englischen einfach der heraldische Balken, im Französischen allerdings das Hinterteil, oder genauer: die Arschbacke – macht aber auch ironisch die Skepsis dieser Sichtweise deutlich. Trotzdem sind die von den eigentlichen Magazinseiten befreiten Magazinrücken als Linie die Möglichkeit, diese in alle Richtungen zu zeichnen oder zu legen, und damit die Möglichkeit eigene Maßstäbe zu entwickeln und anzusetzen bzw. selbst kreativ zu werden.
___ VOLTA 5 in Basel, um was ging es da?
AM_Auf der Basler Kunstmesse VOLTA wurde ich zusammen mit dem Künstler Bosse Sudenburg von der Galerie Metro präsentiert.
Bei der den Raum bestimmenden Arbeit Full Moon (Taking A Walk) handelte es sich um ein Archiv gerahmter Ausstellungstitel. An diesen fasziniert mich vor allem, wie kulminierte Kreativität zunächst in wenigen Worten kristallisiert wird, um sich dann bei Berührung mit dieser Projektionsfläche als Imagination einer Ausstellung wieder aufzufalten. Die Titel ergeben als Wörter einen frei lesbaren Text, der diesen Prozess spiegelt.
Full Moon (Taking A Walk) steht übrigens in enger Beziehung zu meiner Arbeit White Magazine, wo in einem Heft handschriftlich alle redaktionell sowie als Werbung auftauchenden Brands in VOGUE, ID und Purple chronologisch aufgeführt werden, um frei von ihrem immensen Marketingballast einen konkreten Text zur Mode zu schreiben.
Siehe dazu auch den Messe-Pressetext der Galerie (Metro, Anm. d. Red):
“Angesichts der Arbeit „Full Moon (Taking a Walk)“ stellt sich anfangs die Frage, ob die gesamte Hängung in ihrer Form verbindlich ist, ob einzelne Titel herausgelöst und selbst kombiniert werden können, oder ob gerade in der Zusammenstellung die Arbeit und das Produkt des Künstlers besteht. Während also die festgelegte, schematische Hängung der Ausstellungstitel zunächst einen starren und abgeschlossenen Eindruck macht, steht der Titel der Arbeit „Full Moon (Taking a Walk)“ für die Aufforderung zur Inspirationssuche.
Der Blick der BetrachterInnen schweift zwischen den möglichen Bedeutungen der Titel, der Imagination von Ausstellungen, für die sie stehen könnten und der Erinnerung an Ausstellungen, die sie selbst gesehen haben, umher. Losgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext erscheinen die Titel darüber hinaus in ihrer reinen Fiktionalität und bilden ein unerschöpfliches poetisches Kontinuum. Der Versuch der Orientierung bedeutet hier bereits ein Fortschreiben des Textes.”
___Du hast geschrieben, dass Du ein schlechtes Gewissen hast, weil Du Suzy Menkes auf der Fashion Week verpasst hast. Warum? Hättest Du sie gern etwas gefragt?
AM_Ja, leider habe ich die SuzyMenkesBerlinFashionweek verpasst. Ich bedauere allerdings nicht, Suzy Menkes nicht begegnet zu sein, sondern ich bedaure dem qualitativen Sprung, den ihr Besuch bedeutet, nicht beigewohnt zu haben. Ich bedauere auch, dass sie nicht schon vor ein paar Jahren, eine PULVER-Show besucht hat, ein großartiges, intelligentes Label, das es just nicht mehr gibt.
Bei der Wortgewalt der Dame würde ich es mir schon dreimal überlegen, ob ich ihr wirklich eine Frage stellen wollte oder ob das Lesen ihrer Artikel nicht schon amüsant scharf genug ist.
___An was arbeitest Du aktuell?
AM_Demnächst werde ich „KB“ – eine digitale Slideshow aller im Internet verfügbaren Celebrity Shots von Klaus Biesenbach, Direktor des neu geschaffenen Media Departments am MoMA – zeigen.
___Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was wäre es?
AM_Die AW1996-Show von Comme des Garçons besuchen zu dürfen.
// http://www.andremarose.de //
Dieser Beitrag wurde in Auszügen auch auf Sounds-Like-Me veröffentlicht.