Es geschah im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts, eine Geschichte, wie sie sich wieder und immer wieder und auch heute noch abspielt. Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander. Sie heiraten. Eines Tages sagt die Frau zu ihrem Mann, sie bitte ihn inständig, ihr um ihrer beider Liebe Willen etwaige Fehltritte für immer zu verschweigen. Sie sei so nachtragend, dass sie nichts verzeihen könne, da wolle sie lieber bestimmte Dinge gar nicht erst wissen. Wie sehr er seine Frau geliebt hat, ist mir nicht bekannt. Wohl aber, dass er sich an ihre Bitte hielt. Als er mit ihrer besten Freundin eine Affäre begann und diese schwängerte, ließ er über Nacht die Freundin verschwinden. Die Frau war untröstlich über das Verschwinden der Freundin, das sich zu ihren Lebzeiten niemals aufklärte. Mit ihrem Mann aber blieb sie zusammen, bis zu ihrem Tod.

 

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//Foto: Michael Hoelzl©2009VG-Bildkunst-Bonn//

 

Die meisten Menschen haben ein Geheimnis. Wohl verschlossen in ihrer Erinnerung bewahren sie eine Geschichte oder eine Begebenheit auf, deren Verlauf sie mit kaum jemandem, vielleicht sogar mit niemandem teilen.Hinter mancher teilnahmsloser Miene kann man an manchen Stellen eine Untiefe vermuten, viel mehr bleibt nicht. Denn es kommt allzu selten vor, dass man ins geheime Zimmer gelassen und zum Mitwisser berufen wird. Und manches Mal ist das vielleicht auch das Beste.

Ein Mann hatte spät geheiratet und die Töchter seiner Frau als seine adoptiert. Als seine Frau in hohem Alter verstorben war, rief er eines Tages die Familie zu sich und stellte eine, ihnen bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Frau als seine, von ihm selbst vorher nie gesehene leibliche Tochter vor. Die Verwandtschaft war entsetzt, bedeutete doch dieser plötzliche Familienzuwachs, dass man das stattliche Erbe mit einem weiteren Anwärter würde teilen müssen. Vielleicht hat das Wissen um einen späteren Rechtsstreit der Adoptivkinder mit dem Leiblichen den Mann dazu bewogen, vielleicht war es wirklich so, wie er dann behauptete – jedenfalls rief er eines Tages wieder die Familie und teilte der versammelten Verwandtschaft mit, dass die Frau, die er noch vor kurzem als seine Tochter präsentiert hatte, doch nicht die Vermeintliche sei und dass er sie darum heiraten würde. Genau das hat er dann auch getan und die vor Wut schäumenden Adoptivtöchter, Nichten und Neffen mussten tatenlos zusehen, wie sich das Familienerbe mal eben komplett neu verteilte.

ChinChin

Mit allem was wir tun, hinterlassen wir Spuren. Mal mehr mal weniger sichtbar, mal mit größerem oder auch kleinerem Einfluss auf das Geschehen um uns herum. Vielleicht ist es ein Stein, den wir bei einer Wanderung lostreten und der einen Steinschlag auslöst, vielleicht ist es eine andere Dummheit, die wir mit oder ohne Absicht irgendwann begangen und für die wir uns umgehend geschämt haben.

Sie hatte die frühere Wohnung eines Bekannten bezogen. Manchmal kam noch Post für ihn und sie sammelte diese, um sie an seine neue Adresse weiterzuleiten. Eines Tages kam ein Brief, den sie für Werbung hielt, sich dessen aber nicht sicher war; jedenfalls leitete sie diesen Brief nicht sofort weiter sondern legte ihn zunächst auf einen Stapel Zeitungen, wo er in Vergessenheit geriet. Wochen später fiel ihr der Brief wieder in die Hände. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn noch immer hatte, aber anstatt ihn einfach sofort an den Empfänger weiterzugeben, öffnete sie den Brief, der nicht an sie gerichtet war. Sie fand die – positive – Antwort auf eine Bewerbung; ihr Bekannter wurde gebeten, umgehend ein paar weitere Unterlagen zu schicken, da man sehr an ihm interessiert sei. Was sollte sie tun? Seit den Ankunft des Schreibens war viel Zeit vergangen, Und wie könnte sie ihrem Bekanten einen geöffneten Brief in die Hand drücken? Sollte sie sagen, sie hätte nicht auf den Umschlag gesehen und ihn aus Versehen aufgemacht? Nach Wochen? Sie nahm den Brief samt dem Umschlag mit ins Büro und schob ihn durch den Schredder. Der Bekannte hat inzwischen einen Job. Sie findet, einen viel attraktiveren. Aber genau wissen werden sie das beide nicht. Niemals.